Next stop: Martinique

Die KISS liegt an der Pier in Las Palmas auf Gran Canaria, sie liegt tief im Wasser. Eigentlich etwas zu tief, aber das verwundert uns gerade nicht: die Wassertanks sind randvoll mit 450l Wasser gefüllt, im Dieseltank lagern 220l Treibstoff. Zusätzlich sind je 50l Wasser und Diesel in Kanistern als Reserve im Ankerkasten verstaut. Die Bilgen in beiden Rümpfen sind bis zur Oberkante mit Lebensmitteln vollgestopft, jede noch so kleine Lücke wurde genutzt. In den Netzen im Cockpit hängt Obst für drei Wochen, in großen Kisten im Backbord Rumpf lagert das Gemüse. Zusätzlich zum vollgestopften Kühlschrank läuft die Kühlbox mit 40l Inhalt, sie ist so voll, dass wir den Deckel mit Mühe und Not zu bekommen haben.

Die letzten Tage waren wir durchgängig beschäftigt, die KISS und uns auf unsere erste Ozeanpassage vorzubereiten. Das Rigg wurde inspiziert, die Maschinen kontrolliert, proviantiert, die letzten Ersatzteile gekauft, Wetterberichte kontrolliert, das Satellitentelefon aktiviert usw. Und dann heißt es „Tschüss“ sagen, die letzten Anrufe in die Heimat tätigen und die befreundeten Segler, die ebenfalls alle gerade in den Startlöchern stehen, fest umarmen. „See you on the other side“ wird sich mit einem Augenzwinkern verabschiedet.

Am 14.12.2022 um 14.30 Uhr lösen wir die Leinen und läuft die KISS unter Motor aus dem Hafen von Las Palmas aus. 2900 Seemeilen bis Martinique liegen vor uns, ein ganzer Ozean. Uns ist schon ein wenig mulmig zumute, aber die Aufregung überwiegt. Drei Wochen am Stück, so lange sind wir noch nie gesegelt. Wir haben vollstes Vertrauen in unsere KISS und sind gespannt, was unsere Atlantikquerung für uns bereithält!

Die ersten zwei Stunden fliegen wir unter Parasailor nach Süden, Gran Canaria zieht an Steuerbord an uns vorbei. Dann nimmt der Wind zu und wir bergen das große Leichtwindsegel, 20kn wahrer Wind sind dann doch etwas viel für die 105qm Tuch. Zu Abend gibt es trotz der (noch) großen Auswahl an frischen Lebensmitteln nur eine einfache Gemüsepfanne, wir sind beide zu müde von den anstrengenden Tagen, die hinter uns liegen und gleichzeitig zu aufgedreht, um groß oder aufwendig zu kochen. Und dann geht’s auch schon in die erste Nacht hinein, Philipp übernimmt in bewährter Manier die Wache von 22-2 Uhr und Gran Canaria bleibt achteraus zurück. Das nächste Mal Land werden wir, wenn alles planmäßig verläuft, in der Karibik am Horizont auftauchen sehen.

Die erste Nacht und auch der nächste Tag verlaufen ruhig, der Wind flaut etwas ab, unsere Genua zieht uns entspannt nach Süden. Wir planen, zunächst Kurs auf die Kapverden zu halten und dann in einem weiten Bogen mit den Passatwinden in Richtung Karibik einzuschwenken. Am Abend begleiten uns zum Sonnenuntergang ein paar Delfine, sie schwimmen am Bug unserer KISS mit und springen gelegentlich aus dem Wasser. Ein wunderschönes Schauspiel!

Auch die nächsten Tage verlaufen ruhig und eher schwachwindig. Wir fahren die meiste Zeit unter Parasailor und spielen diverse Runden Qwirkle, dazu trinken wir Kaffee und genießen Weihnachtskekse. Schließlich ist ja, trotz der angenehmen Temperaturen, Dezember! Nebenbei beginnen wir einige neue Dokumentationsreihen zu gucken, welche wir uns im Vorfeld runtergeladen haben, hören Podcasts und lesen viel. Andere Boote sehen wir fast nicht um uns herum, obwohl wir uns auf der direkten Route von den Kanaren auf die Kapverden befinden. Auch auf dem AIS, dem automatischen Identifizierungssystem für Schiffe, ist außer gelegentlichen Berufsschiffen außerhalb unserer Sichtweite niemand zu sehen. Wo die anderen wohl alle sind?

Philipp möchte unbedingt einen schönen Mahi Mahi oder Thunfisch angeln. Nur muss er den Fisch dann alleine Essen, weil Anne Fische zwar gerne beim Schnorcheln anguckt, auf dem Teller aber gar nicht so gerne hat. Und da im Kühlschrank einfach kein Platz für die frischen Fische ist, muss das Angeln dann auf später verschoben werden…

Am sechsten Tag unserer Atlantikquerung, wir sind mittlerweile auf einen westlichen Kurs in Richtung Karibik eingeschwenkt, nimmt der Wind zu und müssen wir den Parasailor bergen. Stattdessen ziehen wir unsere alte Genua in die zweite Nut unserer Rollreffanlage ein und fahren von nun an unter zwei Genuas weiter. Die Segel sind sehr ähnlich geschnitten und stehen mithilfe von zwei Barberholern bei bis zu 145° scheinbarem Wind hervorragend. Aber „so hoch“ wollen wir gar nicht an den Wind, 160° wird über die nächsten Tage unser durchgängiger Kurs zum Wind.

Insgesamt fühlt sich die KISS unter zwei Genuas etwas „hibbeliger“ an als unter Parasailor, fährt aber trotzdem noch deutlich ruhiger und ausbalancierter als mit nur einer Genua. Wir sind zufrieden, auch das Reffen funktioniert alleine sehr gut.

Die nächsten Tage verlaufen ruhig, auch wenn der Wind etwas böig ist. Wir machen Etmale von 120 bis 150 Seemeilen, genießen das tiefe Blau des Wassers und die unendliche Weite des Atlantiks, führen unser erstes Telefongespräch über Satellitentelefon (mit überraschend guter Qualität) und werfen jeden Morgen fliegende Fische und sogar kleine Tintenfische, welche sich in der Nacht auf unser Deck verirrt haben, über Bord. Dabei stellt sich ein gewisser Bordalltag ein, bei dem Kleinigkeiten zu den großen Highlights des Tages werden: die E-Mail von Freunden oder der Familie, eine leckere Mahlzeit, der Sonnenuntergang oder auch nur ein gutes Lied, welches wir dann auf voller Lautstärke hören – stören tun wir hier draußen ja niemanden.

So ruhig wie die erste Hälfte unserer Atlantikquerung wird die Zweite nicht, unser Weihnachten an Bord wird etwas ungemütlich.

2 Gedanken zu “Next stop: Martinique”

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