Werftaufenthalt

Jetzt sind wir also schon wieder auf einer Werft, nachdem die KISS in Bremen ja fast zwei Jahre (davon eins aufgrund von Corona unfreiwillig) im Hohentorshafen bei der Maleika Werft gelegen hat. Dieses Mal ist es die Borssumer Bootswerft in Annes Heimatstadt Emden.

Wir mögen Werften, wir haben ja auch seit Jahren auf Werften gearbeitet: es gibt immer was zu gucken, uns unbekannte Schiffs- und Bootstypen zu bestaunen, allgemeines Gewusel, Kranaktivitäten und grundsätzlich viele nette Leute und Gespräche. So richtig Vorfreude will allerdings nicht aufkommen, wir wollten doch segeln. Aber „wat mutt, dat mutt“, wie man in Ostfriesland so schön sagt. Also raus aus dem Wasser und ab auf das Freigelände.

Das Kranen selber ist in diesem Fall Zentimeterarbeit, der Travellift hat keine 10cm Luft auf jeder Seite. Die Fender müssen dabei oben bleiben, sie sind viel zu dick. Philipp hat am Steuer schon die ein oder andere Schweißperle bei der Anfahrt auf der Stirn. Langsam und vorsichtig, Stück für Stück schieben wir die Kiss zusammen mit der Werft in Position. Puh, das ist gut gegangen. Zum Glück gab es keinen Wind.

Nachdem die KISS auf ihren Kielen abgesetzt und an den Enden zur Sicherheit aufgepallt wurde, fängt das große Schleifen an: wir wollen das Antifouling komplett erneuern. Eine Entscheidung, die wir im Nachgang regelmäßig verflucht haben.

Die KISS verfügt über ca. 40qm Unterwasserschiff inkl. Kiele und Ruder und darauf befinden sich einige Lagen altes Antifouling. Philipp geht mit einem Schaber vorweg, das Ganze sieht aus wie ein überdimensionierter Rasierer mit einer scharfen Klinge. Der Schaber muss in einem bestimmten Winkel angesetzt und mit entsprechend Druck am Rumpf entlanggezogen werden. Wenn der Rumpf man nur nicht so rund wäre! Philipp arbeitet sich mit 5cm*30cm großen Stücken vorwärts. Schnell sind die Arme schwer und die Verrenkungen verspannen den ganzen Körper. Und nach einem halben Tag Arbeit fragt man sich, was und warum nochmal man sich das eigentlich genau antut.   

Die mit dem Schaber vorbehandelten Flächen werden anschließend mit dem Exzenterschleifer komplett abgeschliffen – bis auf 180er Körnung hoch. Hierfür haben wir uns die Schleifscheiben Abranet von Mirka gekauft und sind begeistert von der Standzeit gegenüber herkömmlichen Schleifscheiben aus Papier. Am Ende haben wir je Körnung (40, 80, 120 und 180) sieben Scheiben verbraucht. Trotz der guten Schleifscheiben flucht aber auch Anne schnell über die gekrümmten Flächen, über die Haltung beim Schleifen und überhaupt. Die Sonne scheint, es ist heiß, der Sommer verlangt eigentlich nach schönen Ankerplätzen, Schwimmen, gekühlten Drinks – und wir stehen an Land und schleifen.

Am Wasserpass selber können wir weder mit dem Schaber noch dem Exzenterschleifer vernünftig arbeiten, ohne das Gelcoat darüber zu verkratzen. Der Bootsbaumeister auf der Werft empfiehlt uns  eine Beize (Natronlauge), die man aufträgt, luftdicht mit Folie abdeckt und nach einigen Tagen mit dem Hochdruckreiniger abspritzt. Wir sind skeptisch, haben aber wenig Interesse daran, vier Mal (zwei Seiten je Rumpf) über 11m Wasserpasslänge von Hand zu schleifen. Wir sind total gespannt, ob das wirklich funktioniert, glauben wollen wir das noch nicht so recht. Nach ein paar Tagen entfernen wir gespannt die Folie, nehmen die Pistole vom Hochdruckreiniger und spritzen den ersten Meter Antifouling einfach weg. Wir sind begeistert!

Pünktlich zum Ende der Schleifaktion schlägt das Wetter um, es ziehen immer wieder Regenfronten durch. Leider keine perfekten Bedingungen zum Streichen! Das Regenradar wird in den nächsten Tagen unser treuer Begleiter, wir schauen regelmäßig nach der neuesten Entwicklung und wenn sich ein 5-6 Stunden Fenster auftut, wird die Farbe hervorgeholt und eine Lage gestrichen. Zunächst einmal kommen drei neue Lagen 2K-Epoxy-Primer auf den Rumpf, da beim Schleifen unweigerlich die oberste vorhandene Schicht mit angeschliffen wird und der Primer den Rumpf vor Osmose schützt. Auf den Primer dann zwei dünne Lagen rotes und weitere zwei Lagen schwarzes Antifouling. Das rote Antifouling deshalb, weil man daran gut erkennen kann, wann die zwei Lagen schwarzes Antifouling sich abgenutzt haben.

Neben dem Schleifen und in den Streichpausen erledigen wir noch einige größere und kleinere Arbeiten am Boot, Polieren die Rümpfe, ziehen die Ruder zwecks Kontrolle der Lager (wenn man schon einmal an Land steht…), montieren neue Opferanoden an den Saildrives, wechseln die Keilriemen an den Motoren usw.

Und dann endlich ist die letzte Lage Antifouling trocken, alle notwendigen Arbeiten abgeschlossen und fährt der Travellift vorsichtig über die KISS, um sie anzuheben und wieder in ihr Element zu setzen. Wir sind froh, endlich wieder im Wasser zu sein und erschöpft von den letzten Wochen. Bald geht es endlich so richtig los.

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