Ein ungeplanter Ausflug nach Portugal

Kaum sind wir in Gibraltar angekommen, schließt sich auch schon das Windfenster in Richtung Kanaren. „Macht nichts!“, denken wir uns, spätestens nächste Woche sollte der Wind wieder passen für die fünftägige Passage nach Lanzarote. Was wir nicht ahnen: es wird ganze fünf Wochen (!) dauern, bis wieder Nordwind einsetzt, der uns auf die Kanaren bringen soll. Bis dahin gibt es wahlweise keinen Wind, Südwind oder munter in alle Richtungen drehende Winde. Einige Boote beschließen, die gut 500 Seemeilen zu motoren.

Wir bleiben zunächst in Gibraltar, erledigen die anstehenden Aufgaben für die Atlantikquerung und noch so einiges mehr an Boatwork. Außerdem wird einmal das ganze Boot ausgeräumt, Inventur gemacht und alles wieder ordentlich eingeräumt.

Nach gut zwei Wochen vor Anker in Gibraltar fällt uns, trotz befreundeter Boote um uns herum, so langsam die Decke auf den Kopf. Wind ist für die nächsten 10 Tage (so weit reicht der Wetterbericht) nicht abzusehen, weshalb wir zusammen mit unseren Freunden von der Ocean Jade nach Cádiz fahren. Hier wollen wir einige Tage verbringen, die Stadt erkunden und dann in Tagesetappen weiter entlang der spanischen Küste nach Portugal. Von hier erhoffen wir uns eine bessere Ausgangsposition für die Passage nach Lanzarote, sobald der Wind einsetzt.

Die Fahrt durch die Straße von Gibraltar nach Cádiz verläuft abwechslungsreich: die starke Strömung schiebt uns nach Westen, der Wind schiebt mal mehr, mal weniger, und wir wechseln einige Male die Segel. An der Grenze zwischen Atlantik und Mittelmeer brodelt das Meer, man merkt richtig, dass hier zwei große Wassermassen aufeinandertreffen. Bei stürmischen Bedingungen oder gar Wind gegen Welle möchten wir nicht hier sein!

Cádiz ist eine wunderschöne Stadt mit einem entspannten Flair. Einmal rings um die Altstadt, welche auf einer Halbinsel liegt, verläuft ein Radweg. Zeit, die Fahrräder auszupacken und eine Runde zu drehen! Immer am Wasser entlang, auf wunderschönen Promenaden und durch kleine Parks, fahren wir zu einer kleinen Verteidigungsanlage aus alten Zeiten, wo wir einen ersten Stopp einlegen. Im Windschatten der Anlage, in einer kleinen Bucht, liegen dutzende Fischerboote vor Anker, die Verteidigungstürme sind alt, der Stein verwittert.

Keine 10 Minuten mit dem Fahrrad entfernt liegt die nächste Verteidigungsanlage. Im Gegensatz zur vorherigen liegt sie auf einer kleinen, der Altstadt vorgelagerten Insel und ist über einen langen, gemauerten Damm zu erreichen. Die Festung hat leider geschlossen, aber die Fahrt über den Damm ist für sich genommen schon ein Erlebnis: nicht nur der Ausblick auf sowohl Stadt, Festung und das Meer sind toll, immer wieder brechen sich Wellen an den Mauern und spritzt die Gischt hoch. Da wir die Fahrräder ungerne salzig haben möchten, halten wir deshalb immer wieder an, beobachten die Wellen und geben dann für einige Meter Gas, um vor der nächsten Welle durch zu sein. Ein Riesenspaß!

Vorbei an der Kathedrale, wo wir die Fahrräder für einen Altstadtbummel abstellen, geht es als letztes zum Stadtstrand, der sich über Kilometer entlang der Halbinsel erstreckt. Es ist mittlerweile später Nachmittag und die ersten Einheimischen genießen ihren Feierabend am Strand. Insbesondere Wellenreiten scheint ein beliebtes Hobby zu sein, überall liegen Surfboards und werden Gymnastikübungen zum Aufwärmen gemacht. Wir setzen uns in ein Café, bestellen einen Kaffee und schauen dem Spektakel zu, bevor es wieder zurück an Bord geht.

Unser nächster Ankerplatz ist in der Flussmündung des Rio Piedras, hinter einer Sandbarre namens El Rompido – wir fühlen uns direkt wie Zuhause. Große Teile des Flussbetts fallen bei Niedrigwasser trocken, der Strand auf der Atlantikseite der Barre ist riesig, es sind fast keine Leute unterwegs. Wir freuen uns nach einem Sommer im Mittelmeer total über die Tide, einem Spaziergang bei Niedrigwasser im feuchten Sand und den endlos erscheinenden Strand. Am Abend wird zusammen mit der Ocean Jade ein kleines Lagerfeuer am Strand gemacht, auf dem wir unser Abendessen grillen.

Wir bleiben noch einige Tage in der Flussmündung, genießen die Ruhe und freuen uns darüber, mit jeder Tide mal Flussaufwärts, mal -abwärts zu liegen. Und dann geht’s aber auch schon weiter und steuern wir den Rio Guadiana an, den Grenzfluss zwischen Spanien und Portugal. Auf beiden Seiten des Flusses liegen kleine Städtchen, in früheren Zeiten hat man sich hier über das Wasser hinweg kritisch beäugt. Insbesondere Vila Real de San Antonio auf der portugiesischen Seite ist ein hübscher Ort und wir genießen es, in einem der vielen kleinen Cafés zu sitzen und einen Bica, die portugiesische Variante des Espresso, zu trinken. Dazu gibt es Blätterteig-Teilchen mit Creme-Füllung, die sogenannten „Natas“ – wie haben wir sie den Sommer über im Mittelmeer vermisst!

In der langfristigen Windvorhersage tut sich allmählich ein mögliches Windfenster auf, wir steuern vorher aber noch die Lagune von Faro an. Kilometerlang erstreckt sich diese um den Ort Faro herum, es gibt endlos lange Strände, kleine Inseln mit ursprünglichen Dörfern ohne Autos oder Asphalt, Salzwasserwiesen und einfach nur ganz viel Platz. Auch hier fühlen wir uns an Zuhause erinnert und machen uns auf, die Ilha da Culatra zu erkunden. Wir lassen das Beiboot im Fischereihafen liegen und laufen über schmale Betonplattenwege durch den Ort zum Strand. Hier geht es zunächst noch ein Stück über Holzbohlenwege weiter, unter uns sind Salzwiesen. Wir haben Flut, das Wasser kommt gerade gemächlich zurück und flutet die kleinen Wasserläufe, bevor größere Flächen unter Wasser verschwinden. Wirklich wie Zuhause im Wattenmeer! Nur wärmer…

Unser Rückweg führt uns über das Inselinnere, bei Google Maps ist eine Sandpiste verzeichnet. Was uns die Satellitenaufnahme aber nicht verrät: die Bilder wurden bei Niedrigwasser gemacht, jetzt bei annähernd Hochwasser sind die Pisten in Teilen überflutet. Zurücklaufen ist keine Option, wir bekommen so langsam Hunger und außerdem brennt die Sonne ganz ordentlich. Also werden die Hosen hochgekrempelt und geht es weiter in der Hoffnung, dass das Wasser nicht allzu tief sein wird. Ist es zum Glück dann auch nicht, wir stehen nirgends tiefer als bis zu den Knieen im Wasser…

Einige Tage, weitere Strandspaziergänge und einer Fahrradtour auf dem Festland später ist es dann endlich soweit: Nordwind setzt ein und wir laufen aus mit Ziel Kanaren, von wo wir zu unserer Atlantikquerung starten möchten!

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