Die Costa da Morte

Nach unserem eindrucksvollen ersten Tag in Galizien beginnt am zweiten Tag in A Coruña der Ernst des Langfahrerlebens: sechs Tage auf See haben Unmengen an Salz sowohl an als auch unter Deck hinterlassen, in den Bilgen steht Wasser (ein Fenster hat während der Überfahrt geleckt und das Wasser hat sich im gesamten Backbordrumpf verteilt), die Dreckwäsche stapelt sich, der Kühlschrank ist quasi leer und das Rigg und die Maschinen wollen kontrolliert werden. Nach einem ausführlichen Frühstück heißt es von daher „Ärmel hochkrempeln“ und auf geht’s!

Das Deck ist relativ schnell vom Salz befreit, mit einem Frischwasserschlauch vom Steg spritzen wir einfach alles ab. Unter Deck sieht das Ganze schon anders aus, aber nach drei (!) Mal Boden wischen sieht es auch hier wieder ganz passabel aus. Anschließend werden die Backbordbilgen ausgeräumt und der Inhalt an und unter Deck zum Trocknen verteilt. Zum Glück haben wir nichts Empfindliches in unseren ansonsten immer staubtrockenen Bilgen gelagert! Lediglich auf den Konservendosen lösen sich die Etiketten und sind wir froh, alle Dosen beim Einräumen mit einem Edding beschriftet zu haben.

Da wir uns jetzt ohnehin kaum noch an Bord bewegen können, ohne über unseren Bilgeninhalt zu stolpern, schnappen wir uns die Dreckwäsche und suchen einen Waschsalon. Für T-Shirts & Co haben wir zwar einen Handwäschebeutel an Bord, der ganz wunderbar funktioniert, Handtücher und Bettwäsche passen hier aber bei weitem nicht rein.

Kurze Zeit später, den Industriewaschmaschinen sei’s gedankt, gesellen sich dann zum Bilgeninhalt zwei große Ladungen Wäsche, die am Relingzaun, an den Vorschoten und an quer über Deck gespannten Leinen hängen. Wir sehen aus wie fahrende Händler, sind aber in bester Gesellschaft. Im Hafen liegen viele ausländische Boote, die meisten davon für Langfahrt ausgerüstet und nicht wenige haben ihren halben Hausstand an Deck ausgebreitet. Sie sind wohl, wie wir auch, mit dem sehr guten Wetterfenster der letzten Tage über die Biskaya gesegelt.

Da wir am nächsten Morgen auslaufen wollen, dichten wir am Abend noch das Fenster an Backbord ein (das geht vom Steg so viel einfacher als vom Beiboot aus!), bevor wir einen Spaziergang durch die Stadt unternehmen. A Coruña ist eine sehr schöne Stadt und die kleinen Gassen sind vollgestellt mit Restauranttischen. Es herrscht ein großer Trubel, wir sind pünktlich zur spanischen Abendessenzeit unterwegs und freuen uns über das bunte Treiben auf den Straßen und Plätzen!

Nachdem am nächsten Morgen der Kühlschrank aufgefüllt wurde, sind wir klar zum Auslaufen. Wir wollen an der Costa da Morte entlang nach Süden segeln, rund Kap Finisterre und von dort aus die Rías Baixas erkunden. Die Costa da Morte ist schroff und bietet kaum Schutz für Segelboote, insbesondere wenn der Wind auf die Küste steht. In der Seekarte sind zahlreiche Untiefen und Wracks verzeichnet. Ein Glück, dass für die nächsten Tage schönes Wetter vorhergesagt ist und wir dank GPS immer genau wissen, wo wir uns befinden. Schnell merken wir, dass uns bei den Fischerbojen leider weder gutes Wetter noch GPS helfen – die kleinen Bojen liegen zu dutzenden vor der Küste und sind aus der Ferne kaum zu erkennen, ständiges Ausguck Gehen wird in den nächsten Tagen zur Pflicht.

Unseren ersten Stopp an der Costa da Morte legen wir nach 36 Seemeilen im Ría de Corme y Laxe, einer großen, zum Atlantik hin offenen Bucht, ein. Der Anker fällt auf knapp 10m Wassertiefe. Da unsere Frischwasservorräte sich dem Ende zuneigen, nehmen wir am nächsten Tag als erstes unseren Wassermacher in Betrieb. In Deutschland und den Niederlanden haben wir noch Leitungswasser in die Tanks gefüllt, hier in Spanien möchten wir nun unabhängig von der Tankanzeige die Ankerbuchten genießen und nicht zum Wasser bunkern Häfen anlaufen müssen. Außerdem ist das Wasser in Spanien schon recht stark gechlort, es riecht ein bisschen nach Schwimmbad.

Aus dem „mal eben“ werden am Ende ganze zwei Tage, ständig leckt es an immer wieder neuen Stellen. Wir sind genervt und kurz davor, mit dem Beiboot in den Ort zu fahren, um abgepacktes Wasser zu kaufen. Am Ende läuft dann aber das System und produzieren wir Frischwasser in bester Qualität mit Solarenergie!

Am zweiten Tag im Ría de Corme y Laxe, wir testen gerade die Druckröhren im Cockpit (wenn hier etwas leckt, dann wenigstens draußen), donnert es plötzlich über unseren Köpfen. Wir gucken hoch, in der Erwartung, einen Hubschrauber zu sehen. Stattdessen fliegt ein Löschflugzeug über die Bucht und geht in eine langgestreckte Kurve, während es immer weiter an Höhe verliert. Das Flugzeug hält direkt auf uns Boote zu, gefühlt müsste es gleich in den Mast des Nachbarbootes krachen. Unsere Perspektive täuscht, am Ende setzt das Flugzeug ca. 150m vom Ankerfeld entfernt auf dem Wasser auf, es spritzt kurz in alle Richtungen und das Flugzeug steigt wieder auf. Nachdem es ein Stückchen geflogen ist, wird das Löschwasser über der Bucht verteilt und nimmt das Flugzeug Anlauf für ein weiteres, identisches Übungsmanöver. Sehr beeindruckend, so etwas haben wir noch nie Live und auch noch aus erster Reihe beobachten können!

Vom Ría de Corme y Laxe aus geht es unter Motor weiter nach Süden, in den Ría de Camariñas. Die See ist spiegelglatt und bleiern, die Küste dafür umso spektakulärer. Der Rías ist verzweigt, es gibt diverse Buchten und Strände, im Landesinneren türmen sich Berge auf und kleine Dörfer liegen an den Hängen und am Wasser. Traumhaft! Nach einem missglückten ersten Ankermanöver (zu viel Bewuchs am Meeresboden), packt der Anker vor einem kleinen Strand im Norden des Rías.

Wir bleiben zwei Nächte im Ría de Camariñas, lernen eine weitere Lossegler-Crew aus Deutschland kennen, gehen SUP’en und machen eine Wanderung an der Küste entlang zu einer kleinen Kirche, die auf einer Klippe direkt am Atlantik steht. Auf dem Weg dahin kommen wir durch einen Kiefernwald, die Luft ist warm, es duftet herrlich nach Kiefern und interessanterweise auch nach Fenchel. Ob uns da unsere Sinne wohl einen Streich gespielt haben?

Vom Ría de Camariñas sind es nur 25 Seemeilen bis zum westlichen Ende der Welt. Bei strahlend blauem Himmel und unter Motor, der Wind lässt mal wieder auf sich warten, runden wir gegen Mittag das Kap Finisterre. Bleibt nur zu hoffen, dass die Römer sich da geirrt haben…

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