Galizien – Die Umgebung von A Coruña

Nach sechs Nächten auf See schlafen wir erstmal aus – zumindest nehmen wir uns das vor. Anne wacht nachts unvermittelt auf, das Boot hat sich bewegt. „Philipp liegt neben mir und ist nicht auf Wache, das kann doch nicht gut gehen“ ist ihr erster Gedanke. Hellwach klettert sie aus der Koje, hoch in den Salon, schnell einen Rundumblick machen, gucken ob ein Schiff auf Kollisionskurs ist. Da sind ganz viele Schiffe, aber alle – so wie die KISS auch – sind festgemacht. Wir liegen ja im Hafen… Todmüde klettert Anne zurück in die Koje, nur um eine Stunde später das gleiche Erschrecken wieder zu haben. Schnell raus aus der Koje, hoch in den Salon den Rundumblick machen – Ernüchterung. Zurück in die Koje. Am nächsten Morgen ist Philipp ausgeschlafen, Anne hat kleine Augen und wir merken: war wohl doch anstrengend, die Passage.

In Deutschland hatte Philipp vor einiger Zeit einen Kollegen aus Spanien bei sich in der Abteilung, genaugenommen ein Local aus Galizien. Wir hatten uns schon in den Niederlanden mit David verabredet und er hatte dann auch direkt Lust, uns an unserem ersten Tag in Galizien seine Heimat zu zeigen. David liebt Galizien und genauso liebt er es, Galizien zu zeigen. Die Freude über das Wiedersehen war groß und wir sind mit dem Auto zwischen Ferrol und A Coruña ein Stück ins Hinterland gefahren.

Dort gibt es noch einen Teil des atlantischen Walds, erzählt David. Früher sei dieser atlantische Wald von Portugal bis Dänemark und in England überall an der Küste gewesen. Aber durch die Nutzung der fruchtbaren Böden gäbe es heute nur noch drei Gebiete, in denen der Wald so ursprünglich ist: in England, Frankreich und eben hier, in Galizien. Wir wandern in ein kleines Tal, neben einem glasklaren Fluss, der in allen möglichen Tönen von Grün bis Blau schimmert. Immer wieder gibt es kleine Stromschnellen und Felsbänke, auf denen Farn wächst. In den ruhigeren Stellen sieht man Forellen schwimmen. Diese Landschaft haben wir nicht erwartet. Das Ziel ist ein altes Kloster aus dem 10. Jahrhundert auf einem kleinen Berg. Dort erwartet uns eine weitere Überraschung: das als bestes Sandwich Spaniens prämierte lokale Brot mit grünem Pesto, Tortilla und etwas Ratatouille. Was für eine Mischung! Wir genießen den ersten Tag in Spanien in vollen Zügen.

David hat noch etwas mit uns vor und so geht es mit dem Auto weiter in Richtung Ferrol. Die Stadt selber ist nicht sehr sehenswert und so fahren wir schnell durch die Stadt zum Ausgang des Fjordes, dem sogenannten Ria, eine natürliche Engstelle. Hier haben die Spanier drei Kastelle gebaut um die Stadt, die schon im Mittelalter die spanische Armada beherbergte, gegen Invasionen schützen zu können. Die Festung hat hunderte Öffnungen für Kanonen, sogar eine Kette soll zwischen den gegenüberliegenden Festungen gespannt worden sein, um sich gegen die Engländer zu verteidigen. Es war wohl erfolgreich, die Stadt ist nie gefallen. Weniger erfolgreich hingegen war ein kostümierter Darsteller, in voller Kriegsuniform des 19. Jahrhunderts. Er wollte den versammelten Touristen einen Schuss aus seiner Flinte vorführen, jedoch blieben 20 Versuche erfolglos. Er redete sich heraus, dass das Pulver zu feucht sei. Wir erkundeten weiter das Kastell und entdeckten die ehemaligen Unterkünfte der Soldaten. Als wir wieder in den Hof hinaus kamen, erschraken wir uns fast zu Tode: der spanische Soldat hatte wohl doch noch etwas trockenes Pulver in seinem Beutel gefunden. Wir stellten uns vor, wie laut es wohl gewesen sein musste, wenn hunderte Kanonen und Gewehre auf einmal los knallten.

Den Abschluss des Tages bildete die Fahrt zu den Klippen, die wir am Tag zuvor von See aus bestaunt hatten. Es geht durch dichten Eukalyptuswald, über Almwiesen im Hinterland und durch liebliche Buchten mit weißen Stränden und Salzwasserwiesen. Immer höher wird die Küste. Mit 615 m Höhe zählen die Klippen zu den höchsten Europas und oben angekommen sind es dann auch nur noch kühle 13°Cund gefühlte 11 Windstärken. Ein schneller Blick in die Ferne, ein paar Fotos und es geht zum Abendessen in ein kleines Fischerdorf, nach Spanischer Sitte pünktlich um 21 Uhr. Es gibt typisch galizisches Essen und das lokale Bier. Wir sind David total dankbar für diesen grandiosen Tag und fallen um 1 Uhr morgens in die Koje, gespannt, womit uns Galizien noch so überraschen wird.

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