Santiago de Compostela

Von Vilagarcia de Arousa, wo wir vor Anker liegen, sind es nur 20 Minuten mit dem Zug nach Santiago de Compostela. Um den Tag bestmöglich zu nutzen, stehen wir trotzdem noch im Dunkeln auf und fahren, nach einem kurzen Frühstück, mit dem Dinghi in den Hafen. Während wir zum Bahnhof laufen, erwacht die Kleinstadt um uns herum zum Leben und je näher wir dem Bahnhof kommen, desto mehr Pendler streben in die gleiche Richtung.

Ohne Zwischenstopp gelangen wir nach Santiago, wie die Stadt von den Einheimischen genannt wird. David, unser Bekannter aus Galizien, holt uns am Bahnhof ab. Unser erstes Sightseeing-Ziel ist die Kulturstadt Galizien, die Cidade da Cultura de Galicia, ein moderner Gebäudekomplex etwas oberhalb der Altstadt auf einem Hügel. Die Architektur ist beeindruckend, noch beeindruckender ist allerdings die komplizierte Herleitung der Gebäudeform- und Anordnung, welche sich an dem ursprünglichen Gelände sowie der Anordnung der Straßen in der Altstadt orientiert. Erkennen können wir weder das Muster der Straßen noch die ursprüngliche Hügellandschaft.

In der Kulturstadt ist wenig los, die Bibliothek und das Museum sind verwaist, ein Café gib es leider auch nicht. Einige der ursprünglich geplanten Gebäude wurden gar nicht erst gebaut. „Größenwahn“ nennt es unser Bekannter und wir müssen ihm Recht geben; so richtig scheint sich die Kulturstadt nicht etabliert zu haben.

Von der Kulturstadt aus geht es einmal quer durch die Stadt und hoch auf den Monte Pedroso, welcher mit 460 Höhenmetern einen grandiosen Ausblick auf Santiago und die Umgebung ermöglicht. Santiago liegt in einem grünen und lieblichen Tal, die Stadt selber erscheint von hier oben auch sehr grün. Ein Eindruck, den David bestätigt – Santiago verfügt über diverse Parkanlagen, Grünstreifen und Gärten. Uns gefällt es auf jeden Fall!

Bevor wir in das Gassengewirr der Altstadt eintauchen, halten wir an einem von Davids Lieblingsrestaurants an: ein unscheinbarer, kleiner Laden mitten im Wohngebiet. Die Einrichtung ist simpel, die Karte klein, aber das Essen sehr lecker und der Wirt sehr gastfreundlich. Wir sind die einzigen Touristen im Lokal, fühlen uns aber (vielleicht auch gerade deshalb) sehr wohl. Beim Verlassen des Restaurants sind wir mehr als satt, vielleicht hätten wir etwas weniger bestellen sollen. Gut, dass wir jetzt einige Stunden durch die Altstadt schlendern werden!

Die Altstadt von Santiago ist überraschend groß und fast vollständig intakt. Moderne Gebäude sieht man nicht, die alte Bausubstanz ist – bis auf wenige Ausnahmen – in einem sehr guten Zustand. Die Erklärung hierfür erhalten wir auch direkt von David: den Hausbesitzern ist es gesetzlich vorgeschrieben, ihre Häuser mindestens von außen in einem ordentlich renovierten Zustand zu erhalten. Das Gesetz scheint Wirkung zu zeigen, wir können uns gar nicht satt sehen an den kleinen Gassen, den schönen, alten Häusern, prächtigen Stadtvillen und natürlich den großen Sehenswürdigkeiten von Kirche und Staat. In den Häusern sind unten häufig kleine Läden, Restaurants und Cafés, die Tische und Stühle stehen auf der Straße und sorgen so für eine quirlige und lebendige Stimmung.

Obwohl wir uns einfach im Gewusel treiben lassen, öffnet sich schon schnell der Vorplatz der Kathedrale vor uns auf, das Zentrum Santiagos. Die Kathedrale ist beeindruckend, viel spannender finden wir aber die gelöste Stimmung auf dem Vorplatz: kleinere und größere Pilgergruppen, zu Fuß und mit dem Rad, sitzen auf dem Boden und genießen das Ende ihrer Pilgerung. Fotos werden gemacht, Fahrräder in die Luft gestemmt und sich angeregt unterhalten, eine Gruppe beginnt sogar eine Polonaise über den Platz.

In der Kathedrale ist die Stimmung deutlich ruhiger als draußen – die Luft ist kühl, das Licht ist ein wenig schummrig und überall ist die Kathedrale prachtvoll geschmückt. Wir haben Glück, in den letzten Jahren wurde der Innenraum unter großem Aufwand fast vollständig restauriert, die Wand- und Deckenmalereien erneuert und generell alles auf Vordermann gebracht. Die Fertigstellung erfolgte erst wenige Wochen vor unserem Besuch. In einigen kleinen Nebenschiffen kann man den ursprünglichen Zustand noch erkennen, es blättert Putz von den Wänden, die Malereien sind kaum erkennbar, es riecht leicht modrig und feucht.

Wieder draußen in der Nachmittagshitze beschließen wir, ein kleines Café anzusteuern. David führt uns durch eine unscheinbare Toreinfahrt und wir befinden uns in einem kleinen, von Mauern umgebenen Garten wieder. In der Mitte plätschert ein Springbrunnen, Tische stehen im Schatten der Bäume verteilt im Garten. In der Ecke befindet sich ein alter Wintergarten, dessen Glaswände zu einer Seite vollständig geöffnet sind und in dem zwischen den Pflanzen ebenfalls Tische stehen. Ein wunderbar ruhiger Ort inmitten des Trubels der Altstadt. Wir bestellen uns Kaltgetränke und genießen diesen schönen Ort. Unsere Füße sind auch nicht gerade böse über die wohlverdiente Pause. Später schlendern wir weiter durch die Altstadt, ohne das Gefühl zu haben, einen Ort zweimal zu sehen. Die Restaurants füllen sich, es herrscht eine wunderbar lebendige Stimmung auf den Straßen. Das Leben scheint sich komplett draußen abzuspielen. Wir sind immer noch satt vom Mittagessen und kehren deshalb in eine Bar ein, welche nach hinten heraus von einer schöne Terrasse  Blick auf einen Park bietet, um mit David ein lokales Bier zu trinken, bevor wir gegen 22 Uhr den letzten Zug zurück nach Vilagarcia und zu unserer KISS nehmen.

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